Man kann gar nicht früh genug damit anfangen......


Eine Golferglosse von Rolf Everding

Friedhelm war schon fast 50, als er zum ersten Mal einen Golfschläger in die Hand nahm. Das war vor einem Jahr.
Seitdem geht er zweimal in der Woche zum Training. Der schottische Trainer Brian Robertson soll der Beste in der Gegend sein, und der soll es ihm beibringen. Wenn es um Golf geht, darf es ruhig das Beste sein. "Qualität zahlt sich aus. Bei der Wahl der richtigen Schläger hat Brian mir auch geholfen, und gute Schläger liegen besser in der Hand. Das spürt man", sagt Friedhelm.

Dass teure Schläger für Anfänger nicht nötig sind, ist für ihn kein Thema. Man kann es ihm auch nicht erklären. Er will es nicht hören.

Nach dem Training schlägt Friedhelm immer noch eine Stunde lang Bälle auf der Driving-Range. Er quält sich zur Platzreife, er will es wissen. 

Gestern stand er wieder auf der Übungsmatte. Er war nicht allein. Hinter ihn hatte sich ein kleiner Junge gestellt. Etwa so alt wie sein Enkel Sebastian, aber ganz anders. Sebastian war ein fröhliches Kind und lachte viel, dieser Knirps aber verzog keine Miene und sah ihm fast beleidigend gelangweilt zu.

"Möchtest du auch mal", fragte Friedhelm väterlich freundlich. 

"Nein, habe keinen Bock", antwortete der Kleine. 

"Du kannst  ruhig ein paar Bälle schlagen, ich zeige es dir, es macht Spaß", setzte Friedhelm neu an.
"Ich spiele keine Big Bertha 13 Grad Loft mit weichem Schaft, viel zu wenig Anfangsspeed“, bemerkte der Kleine ohne eine Miene zu verziehen.

Friedhelm war überrascht. Altklugheit ist bei Kindern in diesem Alter zwar üblich, aber dies war regelrecht dreist. 

"Willst du nicht doch mal probieren", versuchte es Friedhelm erneut und hielt ihm den Schläger hin. Der Junge kam näher und sagte: "Das ist zwar ein teurer Driver, für dich aber ist das nicht der richtige. Wer hat dir den denn angedreht, das wird nie was. Gib mal her". Friedhelm wusste nicht, was er sagen sollte.

Wort- und willenlos gab er ihm den Schläger und stellte sich ohne zu zögern dem Jungen so gegenüber, wie er es beim Trainer auch immer machen musste.

Der Kleine legte einen Ball aufs Tee, stellte sich in Position, holte schulmäßig aus, drehte seinen Körper wie die Toppspieler im Fernsehen und traf. Der Ball flog und flog und flog.
"So muss man schwingen und den Ball treffen“, sagte der Knirps anmaßend souverän, "und das versuchst du jetzt mal. Und nimm den Kopf nicht zu früh hoch!"

Friedhelm tat, wie ihm geheißen, war aber so verunsichert, dass er kaum noch einen Ball traf. Er hatte nur noch einen Gedanken: "weg hier".

Entschuldigend sah er auf die Uhr: "Ach du meine Güte, schon so spät, ich habe noch einen Termin."

Er wollte noch "man sieht sich" sagen, unterdrückte es aber.

Beschämt und irritiert fuhr er nach Haus. Hatte er vielleicht doch zu spät mit dem Golfen angefangen? Am Talent konnte es nicht liegen, denn Talent hat er, das hatte sein Trainer auch gesagt.



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