Golf Club St. Dionys. Mit dem Hamburger Fisch-Pabst Rüdiger Kowalke in der Lüneburger Heide


In der Küche werden mehr als 200 Hummer pro Woche verarbeitet.

Rüdiger Kowalke gehört zu Hamburg wie die Elbe, der Hafen und wie St. Pauli. In seinem Fischereihafen-Restaurant gehen Prominente ein und aus und genießen - mit Blick auf die vorbeifahrenden Ozeanriesen - maritime Delikatessen. Fische & VIPs sind Rüdiger Kowalkes Metier, und er spielt Golf in der Lüneburger Heide.

Es ist noch ganz früh am Morgen. Die ersten Sonnenstrahlen dringen durch das Birkengebüsch. Langsam lichtet sich der Nebel und gibt wunderschöne Golfbahnen frei. Rehe stehen auf einer Lichtung, es riecht nach Pilzen. Wir stehen am Abschlag der Bahn Eins im Golf Club St. Dionys in der Lüneburger Heide. Eine Golfidylle, die kaum zu übertreffen scheint. Rüdiger Kowalke hat mich eingeladen, gemeinsam mit ihm und seinen „Heideräubern“ eine Runde Golf zu spielen. Die Herrenrunde besteht aus acht gestandenen Männern. Sie spielen die Golfplätze rund um Hamburg rauf und runter. St. Dionys ist ihr Lieblingsplatz. Rüdiger Kowalke ist seit 20 Jahren Golfer. Die erste Bahn ist ein schweres Par 4. Rüdiger ist mit fünf sicheren Schlägen im Loch. Kein schlechter Anfang. Er reiht - außer an der für ihn unbezwingbaren Vier – ein  gutes Ergebnis an das andere. Auf der schweren Acht spielt er sogar ein Par. Seine Golfpartner sind durchweg erfahrene Golfer. Bei den „Heideräubern“ wird gutes Golf gespielt.

Der gebürtige Lübecker ist der Chef des Hamburger Fischereihafen-Restaurants direkt an der Elbe. Gemeinsam mit seinem Sohn Dirk führt er das weit über die Grenzen Hamburgs bekannte Feinschmeckerlokal. Als der Glanz des Gründers Hermann Sellmer 1981 zu verblassen schien, übernahm Rüdiger Kowalke den Betrieb. Hanseatische Gediegenheit zog ein, und berühmte Gäste kamen. „Unsere tägliche Vorbereitung auf unsere Gäste ist wie die Arbeit beim Theater hinter den Kulissen“, schwärmt er. „Wenn die Restaurant-Tür geöffnet wird, dann ist das so wie auf einer Bühne: Der Vorhang geht auf, und Kulisse und Schauspieler, sprich Mitarbeiter, sind präsent. Es kann losgehen!“
„Ist dieses einmalige Ambiente der Grund dafür, dass das Lokal keine leeren Stühle kennt?“, frage ich ihn. „Das ist ein Teil, wichtig aber ist es auch, dass in meinem Restaurant viele Menschen zum Essen kommen, die man aus den Medien kennt“, sagt Rüdiger Kowalke. Der außergewöhnlichen Qualität seiner Fischkreationen ist es zu verdanken, dass auch die so genannten internationalen VIPs auf seine Kochkünste aufmerksam wurden. „Lady Di und Prinz Charles waren da und aßen Carpaccio vom Steinbutt, Placido Domingo habe ich Baby-Languste auf Apfelsellerie serviert, und Helmut Kohl lobte die Küche für unseren Schellfisch mit Senfsoße.“
Rüdiger Kowalke fallen die Namen und Lieblingsgerichte seiner Gäste ein, wie begeisterten Golfspielern die Scores erfolgreicher Turniere. Herbert von Karajan, Sean Connery, Shirley McLaine, Bryan Ferry, Mario Adorf, Roman Herzog, Dieter Kürten, Zino Davidoff, Hardy Krüger, Helmut Schmidt, Michail Gorbatschow mit seiner Frau Raissa und sehr viele andere mehr. Die Wände mit den vielen Fotos reichen kaum aus, um sichtbar zu dokumentieren, wer hier zu Gast war.

Die zweiten neun Bahnen des Golf-Course St. Dionys sind ideenreich gestaltet, bisweilen übermütig, ohne jedoch atemlos zu machen. Die Vielzahl langer Viererlöcher und die fehlenden kurzen Fünferbahnen verlangen das ganze Material im Bag.
Höhepunkte im reichhaltigen Angebot der Partie, die keine Schwachpunkte kennt, sind die Bahnen 11 und 12. Prächtige Bunkerformationen auf der 11 und der erhöhte Abschlag mit Blick über den Teich zum gut verteidigten Grün verlangen unablässig konzentriertes Spiel.
„Ist das nicht ein Traum“,flüstert mir Rüdiger Kowalke mit begeistertem Blick aufs Grün zu. „Da geht einem doch das Herz auf.“ Meint er die wunderschöne Eberesche mit ihren roten Früchten hinter dem Grün, oder meint er seinen Ball, den er mit seinem Eisen 7 sehr nahe an die Fahne gelegt hat? Egal, in beidem hätte er Recht, Golf und Natur bilden eine Harmonie. Die Back Nine in St. Dionys waren für uns schwerer als die ersten. Wir müssen uns durchweg schlechtere  Ergebnisse auf der Score-Karte notieren. Trotzdem sind fast alle mit sich zufrieden. Besonders Rüdiger Kowalke, er ist Zweiter geworden und bezahlt die Getränke.
Am nächsten Tag lädt er mich in sein Fischereihafen-Restaurant ein.
Schon der lange Treppenaufgang vom Fischmarkt hoch ins Lokal ist ein Erlebnis. Man betritt eine andere Welt. Der Blick auf den Hafen und die Elbe direkt vorm Haus ist beeindruckend. Ganz schön was los da draußen. Dampfer und Fähren stampfen durchs Wasser, ein Schlepper tutet und zieht einen riesigen Lastkahn an. Langeweile kommt nicht auf.
Es ist Matjes-Zeit. Den kulinarischen Auftakt macht ein Matjes-Potpouri. Dekorativservierter Tatar und Carpaccio des jungfräulichen Herings. Ein Fest fürs Auge. Fast zu schade, es zu zerstören. Als Hauptgang hat Rüdiger die klassische Matjes-Variation mit Speckstippe, Bohnen und Heidekartoffeln gewählt. Das Dessert ist der Hamburger Klassiker, die hausgemachte Rote Grütze. Bei Kaffee und etwas Hochprozentigem erzählt mein Gastgeber, dass sein Lieblingsgericht frische Heringe sind. „Kross aus der Pfanne mit Stampfkartoffeln in Zwiebeln, Kräutern, Butter und Sahne. Das könnte ich jeden Tag essen“, schwärmt er.

Nach dem Essen setzen wir uns an die Oysterbar und Rüdiger Kowalke erzählt.
„Als ich das Restaurant vor 25 Jahren übernommen habe, war ich in der Hafenecke so ziemlich der Einzige, der ein gepflegtes Fischrestaurant betrieb. Heute gibt es fast 30 Mitbewerber drum herum. Das Hafenviertel hat sich herausgeputzt!“
Wir prosten uns dezent zu, ein bisschen Hamburger Stil muss sein. Der maritime Champagner-Cocktail prickelt auf der Zunge.
„Durch die American-Express Werbung wurde unser Restaurant europaweit und  international bekannt“, erzählt er. „Das gab einen enormen Schub!“
Ich erfahre, dass bis zu fünf Tonnen Fisch und mehr als 200 Hummer pro Woche in Kowalkes Küche verarbeitet werden. 20 Köche braten und filetieren, grillen und dünsten – am Wochenende für oft mehr als 400 Gäste täglich.
„Unsere beliebtesten Gerichte sind geräuchertes Aalfilet auf gebratenem Schwarzbrot und Rührei, außerdem Steinbutt gegrillt mit Pommery-Senfsauce“, verrät uns der Chef. Dass der Geldbeutel längst nicht mehr so locker sitzt, wie noch vor ein paar Jahren, hat auch er hier in seinem Hamburger Edelfischrestaurant erkannt.
„Wir haben reagiert und bieten seit fünf Jahren einen bürgerlichen Mittagstisch, sodass das gemischte Publikum die besondere Atmosphäre gibt. Hier sitzt ein Ehepaar aus Buxtehude, nebenan isst Hamburgs Erster Bürgermeister seine Scholle, und da hinten feiert jemand seinen 60. Geburtstag. Das ist herrlich bunt durcheinander, und das macht mein Lokal interessant.“
Zum Abschluss schenkt er mir ein Kochbuch mit seinen Lieblingsrezepten. Der Titel "FISH & VIPs“ verrät, was mich erwartet.

Rüdiger Kowalke ist im Februar 2019 an Krebs gestorben. Er war 71 Jahre alt.

 



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